Fünf Viertelstunden bis zum Meer
Mit einem kleinen Seufzer habe ich dieses kleine Bändchen nach zwei genüsslichen Stunden des Lesens beiseite gelegt, mit dem wohligen Gefühl, dass es noch so etwas wie Liebe gibt, die Jahrzehnte überdauert.
Auf knapp 100 Seiten werden über 6 Jahrzehnte zweier Leben geschildert, dicht, fast atemlos. So atemlos wie die Liebe zwischen dem schüchternen Ezio und der schönen Giovanna 1945 am Strand beginnt. Wie die schaumgeborene Venus entsteigt Giovanna dem Meer, ihrem eigentlichen Element, beobachtet von Ezio und seinem jüngeren Bruder. Denn „was sollte ein italienischer Mann anderes tun, als Frauen beobachten?“ Doch was sich den Brüdern im Sommer 1945, kurz nach der Befreiung Italiens, an dem apulischen Strand bietet, ist wirklich atemberaubend: eine wunderschöne Frau im Bikini, der, beiläufig erwähnt, noch gar nicht erfunden war, in diesem Fall aber das Produkt eines Streits zwischen Giovanna und einer ihrer Schwestern. Giovanna ist wild, schert sich nicht um Konventionen, will das Leben genießen und so ist es kein Wunder, dass sie erst den einen – zugegebenermaßen überstürzten Heiratsantrag am ersten Tag ihrer Begegnung – dann den anderen – nach 4 sinnlichen und erotischen Monaten, hauptsächlich verbracht am Strand – ablehnt. Der Verschmähte flieht buchstäblich vom südlichen Lecce ins nördliche Bozen, wo er sich von nun an als Apfelpflücker verdingt. Giovanna wird noch etlichen Männern das Herz brechen, während Ezio immer an Giovanna denken wird. Das könnte ein ganz normaler Lauf der Dinge sein, wenn nicht nach über 60 Jahren ein Brief in Ezios Briefkasten gelandet wäre. Und der wäre auch fast nicht zugestellt worden. Aber das ist eine andere Geschichte…