Sturz durch alle Spiegel

  • Titel: Sturz durch alle Spiegel
  • Autor: Priess, Ursula
  • Verlag: btb Taschenbuch
  • ISBN: 9783442741205
  • Erschienen: November 2010
  • Einband: Taschenbuch
  • Umfang: 176
  • Preis: 8,99 €
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rezensiert
von:

Linda Rockel

Eine Frau und ein Mann haben den Sommer über miteinander telefoniert, nun treffen sie sich in Venedig. Sie wissen fast nichts voneinander, aber schon bald stellt sich heraus, dass es in ihren Vorgeschichten fatale Überschneidungen gibt. Der Mann kannte Ingeborg Bachmann zu jener Zeit, als diese mit dem Vater der Frau, Max Frisch, zusammenlebte. Je länger die beiden durch Venedig schlendern, umso deutlicher wird ihr: Der Mann muss jenes nicht zu greifende Phantom gewesen sein, an dem ihr Vater in seiner Eifersucht schier zerbrochen war.

 

Die Begegnung in Venedig, als Affäre begonnen, endet verhängnisvoll. Der Mann flieht aus Angst, wie er später gesteht, Angst vor Verstrickung, und die Frau stürzt durch alle bis dahin sicher geglaubten Selbstbilder, „durch alle Spiegel“. Die „Bestandsaufnahme“ gibt ein bewegendes Zeugnis vom Versuch der Tochter, die schwierige Beziehung zum Vater neu zu sichten und darüber ihre eigene Sprache zu finden.

 

Ursula Priess haderte in Ihrem Leben oft mit Ihrem Vater – mit seiner Eigenart, die Menschen um ihn herum als literarisches Material zu nutzen, ja geradezu zu benutzen. Jetzt, achtzehn Jahre nach Max Frischs Tod, nähert sie sich ihrem Vater auf eine zunächst verstörende Art: Sie umkreist ihn, versucht ihn zu fassen – und scheint doch zunächst an all dem Gewesenen zu scheitern. Letztlich jedoch, findet Sie Zugang. Sie schreibt ein sensibles und liebevolles Buch über ihren Vater, und es ist nicht ein Abschiednehmen vom eigenen Vater, sondern ein endlich Ankommen. Und Verstehen. Und Nachsehen.

 

„Nun endlich traue ich mich selber an die Öffentlichkeit, ich gebe dem Vater das Bild, das er von mir hatte, gleichsam zurück, und zwar mit seinen Mitteln – das ist der kecke Ansatz meines Buches“. Dabei ähnelt sie in ihrem Stil immer wieder dem berühmten Vater – sie schreibt nüchtern und unaufgeregt und schafft dennoch Bilder und Situationen, die dem Leser noch lange nachhängen.

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