Konzert ohne Dichter
Klaus Modick entführt den Leser in seinem neuen Roman in die Welt Heinrich Vogelers, nach Worpswede in die berühmte Künstlerkolonie und ihre Hauptdarsteller. Tage bevor Vogeler die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen bekommt, begleiten wir diesen von der Kunstwelt gefeierten Künstler in seinen Erinnerungen. Modick beschwört die eigene Atmosphäre der Landschaft herauf, wie das Lebensgefühl, das die Künstler erlebten, gestalteten und in ihrer eigenen Sichtweise darstellten. Zentrales Thema ist das berühmteste Gemälde Vogelers, „Sommerabend“, das im Grunde die gesammelten Zweifel des Künstlers nach fünfjähriger Arbeit darstellt.
Meint man, einen düsteren Abgesang eines Zweifelnden begleiten zu müssen, liegt man falsch. Durch Vogelers Erinnerungen erfahren wir von den Anfängen der Künstlerkolonie, der Begeisterung der Bewohner für diese eigene Landschaft und deren Bewohner. Die Suche nach Wahrhaftigkeit, Harmonie und Verschönerung des Lebens lebt mit Vogelers Gedanken genauso auf, wie die Faszination für den so eigenwilligen Rilke. Heinrich Vogeler und Rainer Maria Rilke lernten sich in Italien kennen und schätzen. Doch die tiefe Seelenverwandschaft schlug um in tiefe Verachtung. Während Vogeler fleißig an der Verschönerung von Texten und Räumen arbeitet, kommt Rilke als Schmarotzer und Frauenheld und Verfasser unsäglich schlechter Gedichte in Vogelers Augen nicht gut davon.
Bei Fertigstellung des Gemäldes „Sommerabend“ bleibt ein Stuhl der musizierenden Künstler frei. Rilke wurde aus dem Bild heraus katapultiert. Aber auch die verbliebenen Künstler sehen nicht frei und glücklich aus. Bei näherer Betrachtung kann man erahnen, das die Ära Worpswede ihre strahlende Kraft verloren hat – mit den Augen Heinrich Vogelers.
Er zweifelt an seiner Kunst, an seiner Ehe und der Lebensform der Kolonie. Klaus Modick versteht es, auf charmante Art und Weise Bildungslücken zu füllen und dabei dem Leser Vergnügen zu bereiten.