Staatenlos
Analphabetin, Lehrerin, Weltenbummlerin. Auf den ersten Blick haben die drei Frauen aus Shumona Sinhas neuem Roman nichts gemeinsam. Außer Paris. Dennoch verbindet sie die Erfahrung von Gewalt, Herabsetzung und Patriarchat, die Erfahrung, fremd zu sein, ein bloßes Negativ von Männern und Weißen. Marie, adoptiertes Kind französischer Eltern, sucht in Kalkutta ihre Wurzeln. Sie wandelt scheinbar selbstsicher zwischen den Welten und findet doch keine Nähe. Ihre engsten Kontakte sind Mina, die sie zwei Mal besucht und Esha, mit der sie über soziale Medien in Kontakt bleibt. Mina lebt in Kalkutta und Paris ist nur ein Wort für sie. In einer Welt, in der eine Ehe durch Mitgift bestimmt ist, besteht ihr einziger Wert in ihrer Arbeitskraft und einem unberührten Körper. Sie darf sich keine Träume erlauben. Esha hingegen kämpft in der sogenannten Stadt der Liebe mit dem Untergang ihrer Träume und der Einwanderungsbehörde. Alltägliche Machtspiele, Sex und Hass lassen die Lehrerin verzweifeln. Es macht keinen Unterschied, wem sie gegenübersteht. Eine Frau, Inderin, schön gekleidet oder kinderlos zu sein – alles kann die Seuche der Gewalt ausbrechen lassen, die sich überall in Paris verbreitet hat.
Dieser Roman ist kein Wohlfühlbuch. Beim Lesen breitet sich Schmerz aus, Wut und Hass auf die Protagonistinnen und ihre/unsere Welt. Brutalität, kraftvolle Bilder und eine ungewöhnliche Sprache bestimmen die Geschichte. Fantastisch übersetzt aus dem Französischen von Lena Müller zeichnet dieser Roman ein eindrucksvolles Bild vom anderen Paris, von Rassismus, Sexismus, Gewalt und Sinnlosigkeit.