Alice
Nach ihrem aufsehenerregenden und viel gelobten Debüt „Sommerhaus, später“ und darauf folgend „Nichts als Gespenster“ ist nun endlich Judith Hermanns lang ersehnter, neuer Erzählband erschienen. Judith Hermann erzählt von den Zeiten des Sterbens, des Übergangs, des Wartens, des Festhaltens und Loslassens – und davon, wie klar und leuchtend diese Tage sein können.
Alice ist die Protagonistin der fünf Geschichten, diese erzählen jeweils von einem Mann, der eine Bedeutung in ihrem Leben hat und stirbt oder schon gestorben ist und an den Alice sich erinnert. Mit ihren Geschichten, mag man sie einzeln lesen, oder zusammenhängend an einem Stück, zieht Judith Hermann den Leser in einen Sog, der beschreibt wie das Leben ist und das Lieben, wenn Menschen nicht mehr da sind. Lebenswege kreuzen sich, ändern die Richtung und werden unwiederbringlich auseinandergeführt. Von den geliebten Menschen bleiben Dinge zurück: Bücher, Briefe, Bilder. – Und ab und zu täuscht man sich und meint, den geliebten Menschen im Gesicht eines Fremden wiederzuerkennen. Dies ist die Stärke von Judith Hermann: Jede einzelne Geschichte, jede einzelne Person zusammenzuführen und so das Portrait eines Menschen und seiner Zeit zu zeichnen.
Ich muss zugeben, dass ich mich nicht zu den Fans des Genres der Kurzgeschichten und Erzählungen zähle; bei Judith Hermann trifft dieses jedoch nicht zu. Mir gefällt ihr lakonischer, aber auch dezent melancholischer Erzählton. Trotz der Kürze ihrer Geschichten sind diese reich an fein beobachteter Details, die sich sich als großes Ganzes zusammenfügen. Ihre Figuren sind lebendig und verweilen auch lange nach dem Lesen noch in unserer Erinnerung.