Die wir liebten
Auf den ersten Blick erleben der neunjährige Edgar und sein nur wenig älterer Bruder Roman eine behütete Kindheit am Niederrhein. Der Vater führt eine gut laufende Bäckerei, die Mutter unterhält ein kleines Lotteriegeschäft. Die Großmutter kümmert sich unterdessen liebevoll um die Kinder und ihre demente Schwester. Aber nach und nach zeigen sich Risse im Familienleben. Der Vater verliebt sich in die Tierärztin des Dorfes, die Mutter beginnt sich mit Alkohol zu trösten. Als dann auch noch die Großmutter erkrankt, verlieren die beiden Jungen zunehmend ihren familiären Halt. Die zunächst noch als dumme Jungenstreiche einordbaren Unternehmungen der Brüder werden zu einem gefährlichen Spiel. So wird die Jugendfürsorge auf die Familie aufmerksam gemacht und das nahe des Dorfes gelegene Erziehungsheim wird zu einer ernsthaften Bedrohung. Dort werden für die Außenwelt nicht sichtbar längst überholt geglaubte Erziehungsmethoden und Vertuschungen praktiziert.
Der Autor bringt uns die Gefühlswelt Edgars, der seine Familiengeschichte rückblickend erzählt, sowie auch seine Entwicklung zu einem jungen Erwachsenen auf eindringliche und soweit es die Geschehnisse zulassen humorvolle Weise nahe. Aber auch die übrigen Familienmitglieder werden trotz ihrer teilweise persönlichen Schwächen mit viel Einfühlungsvermögen und Liebe gezeichnet. Dabei entsteht ein glaubwürdiges Stück Zeitgeschichte der 70 er Jahre, in der die junge Generation erkennt, wie viel in der Nachkriegszeit verschwiegen und nicht aufgearbeitet wurde. „Nichts ist eindeutig. Nichts ist so, wie es scheint. Alles hat einen doppelten Boden. Wenn es in der Rückschau ein Motto für das Leben meines Bruders und für meines gab, so war es die Erkenntnis, dass es keine Konstanz gibt im Leben und keine Verlässlichkeit in dem, was wir sind und was wir tun, und dass wir andere sind, sobald wir uns aus einem anderen Blickwinkel betrachten oder betrachtet werden. Es gilt für alle, denen wir in jenen Jahren begegnet sind.“
Der Verlag schreibt:
Die Siebziger in der westdeutschen Provinz. Ein Dorf, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Für Edgar und seinen Bruder Roman ist das Leben überschaubar und gut. Bis sich ihr Vater am Maifest in die Tierärztin verliebt und die Familie verlässt. Die Mutter zieht sich immer mehr in ihren Lotto-Laden zurück. Die Jungen sind bald sich selbst überlassen. Schließlich steht das Jugendamt vor der Tür, um Edgar und Roman in den Gnadenhof zu holen. Ein Heim, in dem die Methoden der Nazis fortbestehen.
In glühenden Bildern erzählt Willi Achten von einem spannungsvollen Jahrzehnt, dem unauflösbaren Band zwischen Geschwistern und vom Aufbruch einer Generation, die dem dunklen Erbe ihrer Eltern mit aller Entschiedenheit entgegentritt.