Happy Green Family
Stall 8…
Wir unternehmen einen kleinen, 280seitigen Ausflug nach Iowa.
Erinnern Sie sich? Der Bundesstaat hat 2015 als größter Eierproduzent der USA, 25 Millionen Tiere zur Eindämmung der Vogelgrippe töten lassen. Ein Paradies im mittleren Westen.
Zunächst lernen wir die 15 jährige Janey Flores kennen und mit ihr auch ein Stück amerikanisches Teenager-Schicksal, ohne Ausbildung. Die Tage die sie mit ihrem Vater zwischen Fernseher, Laptop und Fastfood verbringt, ziehen endlos an ihr vorbei. Dabei war Sie einst voller Tatendrang; mutig, fleißig, humorvoll und hat ambitioniert an ihrer Zukunft gearbeitet … bevor sie sich nach einem familiären Unglück völlig zurückzieht. Auf Drängen des Vaters, bewirbt sie sich als Betriebsprüferin bei der Happy Green Family Farm…
Ihre neue Vorgesetzte Cleveland geht dem Beruf der Legehennenbetriebsprüferin mit Leidenschaft nach, findet allerdings kein Gehör bei ihren Vorgesetzten – die Farm handelt weder nach den Tierschutz- noch Hygienevorschriften.
„Das ist nicht ihr Job. Sie machen darauf aufmerksam, wenn etwas nicht regelkonform ist. Am Problemlösungsprozess sind sie nicht beteiligt.“ heißt es. Für Cleveland eine klare Ansage die Augen zu schließen und ihrer monotonen Arbeit treu zu bleiben. Das funktioniert auch bis zu dem Tag, an dem Sie auf der Heimfahrt am Rande der Farm eine gefiederte Anhalterin mitnimmt…
Bwwaauk ist eine von ca. 1 Millionen Hennen in den 8 Ställen der Happy Green Family Farm. Ihr leben wurde bisher bestimmt von Stress, Angst, Enge, künstlichem Licht, lärmenden Ventilatoren, schmerzenden Füßen auf nackten Metallgittern und der Nachbarschaft von toten Leidensgenossinnen.
Ihr Stall ist der älteste und die alten Gitterkäfige sind stellenweise vom Rost zerfressen. So kommt es dazu, dass Bwwaauk an einer Seite herausbricht und in die Jauchegrube fällt. Sie verabschiedet sich mit einem stillen Versprechen von ihren Nachbarinnen und trottet davon. Nach einigen Metern hält ein Auto und weder Bwwaauk noch die Fahrerin sind sich bewusst, was dieses Treffen für Auswirkungen haben wird…
„Sie sah es. Den Wahren Plan, wie eine Vision: Die Käfige fallen auseinander, die Hennen purzeln heraus, prallen gegen Stahlgestänge wie Eierschalen, schütteln ihre Käfige ab, springen aus dem Gitterdraht wie aus einem Nest. Sie sah das Dach sich öffnen und den Sternenhimmel über dem Baldachin schwankender Käfige und Äste. Sie sah die Hennen, Hunderttausende, mit einer für Hühner unerhörten Kraft auffliegen, hinaus aus dem Stall und davon in die Nacht.“
„wir nehmen sie alle“
Es folgt ein Kuriositätenkabinett an Mitstreitern für die verrückteste Rettungsmission seit es Tieraktivismus gibt. Allesamt gescheiterte Existenzen die sich im Leben irgendwo verlaufen haben und nun zusammenfinden. Ihre Geschichten sind wie ein Mosaik um den Kern der Geschichte angelegt – der Rettung von 900000 Hennen mittels 421 Öko-Aktivisten und 60 LKW’s.
Durch wiederholte, nicht unnötig verwirrende Perspektivwechsel zwischen den Geschichten der menschlichen und tierischen Protagonisten, steigen Dramatik, Spannung, Empathie und vielleicht ja auch das Bedürfnis, etwas dagegen zu unternehmen. Ein sehr wacher Roman der im hier und jetzt spielt…leider.
Das Buch schafft es auf ganz besondere Weise, Hoffnung als naiven Optimismus in die moralische Leere der menschlichen Zivilisation abebben zu lassen. Aber es beschreibt auch die Möglichkeit, sich Hoffnung zu bewahren und endlich mit alten Dingen abzuschließen, so dass man in Zukunft selbst über sein Glück entscheiden darf.
„Sie gab den Laut ihres Namens von sich – Bwwaauk – und das Fiepen „es kommt“. Dann schlitterte sie vom Kothaufen und marschierte los. Tatsache ist, dass sie nie zurück kam. Aber sie schickte jemanden, um die anderen zu holen.“